Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor krankheitsbedingter Kündigung

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Sind Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und wie der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erhalten werden kann. Diese Überlegungen erfolgen im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Konkrete Anforderungen an das BEM stellt das Bundesarbeitsgericht nicht. Vielmehr soll es um einen ergebnisoffenen „Suchprozess“ gehen, der individuell angepasste Lösungen ermitteln soll. Der Arbeitgeber sollte dabei folgende Fragen beachten:

• Kann der Arbeitnehmer wieder beschäftigt werden und wenn ja, wie kann er beschäftigt werden?
• Ist eine stufenweise Eingliederung nach §§ 74 SGB V, 28 SGB IX erforderlich? („Hamburger Modell“)
• Müssen betriebliche Anlagen, Maschinen oder Geräte geändert werden? Ist eine solche Änderung möglich?
• Muss der Arbeitsplatz, das Arbeitsumfeld oder die Arbeitszeit umgestaltet werden? Ist eine solche Umgestaltung möglich?
• Welche Alternativen wurden in dem Gespräch mit dem Arbeitnehmer vorgeschlagen? Sind diese umsetzbar?

Erfolgt ein BEM durch den Arbeitgeber nicht, kann eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein. So entschied jüngst das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 16. Oktober 2015 (Az.: 28 Ca 9065/15). Die Durchführung eines BEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Sie konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den der Arbeitgeber bei jeder Kündigung beachten muss. Kündigen kann er erst, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung besteht.
In dem vom Arbeitsgericht Berlin zu entscheidenden Fall war der Arbeitnehmer länger als ein Jahr arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber kündigte ihm krankheitsbedingt, weil er davon ausgegangen war, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren werde. Das Arbeitsgericht Berlin erklärte die Kündigung für unwirksam. Der Arbeitgeber habe im Rahmen eines BEM nicht ausreichend geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung möglich gewesen wäre oder eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit auf einem für den Arbeitnehmer leidesgerechteren Arbeitsplatz vorgelegen habe. Es lege somit ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Die Kündigung sei unwirksam.

Praxistipp: Es ist dem Arbeitgeber im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung dringend zu raten, stets ein BEM durchzuführen. Das BEM stellt zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung dar. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zeigt aber, dass der Arbeitgeber ohne BEM in einer schlechten Ausgangslage für einen möglichen Kündigungsschutzprozess ist.

 

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