Bereits seit dem 1. August 2022 gilt das „neue“ Nachweisgesetz („NachwG“), das die Arbeitgeber u.a. dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern eine schriftliche (= mit Originalunterschrift versehene) Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Insbesondere an diesem Schriftformerfordernis gab es von Anfang an erhebliche Kritik, da die maßgebliche EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ((EU) 2019/1152) („Richtlinie“) ein solches nicht zwingend vorsah (siehe hierzu bereits den Blog-Eintrag vom 24. Juni 2022).
Das Bundeskabinett hatte sich am 13. März 2024 über den Entwurf „eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ (BEG IV) geeinigt und reagierte damit auch auf die Kritik am strengen Schriftformerfordernis des NachwG: Der Kabinettsentwurf sieht vor, dass künftig ein in elektronischer Form im Sinne des § 126a BGB (= qualifiziert elektronisch signiert) abgeschlossener Arbeitsvertrag für den erforderlichen Nachweis ausreichen solle. Nun aber überraschte der Bundesjustizminister mit einem Rundschreiben vom 21. März 2024. Danach solle in Zukunft die einfache Textform (z.B. eine E-Mail) genügen, um Mitarbeitern den erforderlichen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen.
Ob, wann und wie diese Anpassung des NachwG erfolgt, ist offen. Laut des Rundschreibens soll eine Niederschrift jedoch weiterhin in Schriftform notwendig sein, sofern Mitarbeiter eine solche einfordern sollten. Auch deshalb ist fraglich, ob es sich tatsächlich um einen „großen Wurf“ der Entbürokratisierung handelt. Selbst wenn, würde lediglich eine bürokratische Hürde gesenkt werden, die erst im August 2022 eingeführt worden ist.
1. Keine Auswirkungen auf den Abschluss von Arbeitsverträgen
Entgegen manch erster Einschätzung zu dem Rundschreiben des Bundesjustizministers würde sich an den Formvorgaben für den Abschluss eines Arbeitsvertrages nichts ändern. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages bedarf weiterhin grundsätzlich keiner Form. Dieser konnte bisher schon mündlich oder einfach per E-Mail geschlossen werden.
Schon bislang gab es Kritiker, die angesichts der Formfreiheit des Arbeitsvertrages selbst an der Verhältnismäßigkeit des Schriftformerfordernisses für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen zweifelten. Ein (Schrift-)Formerfordernis hat u.a. eine Beweis- und Dokumentationsfunktion. Wenn der Gesetzgeber nicht einmal eine Dokumentationsfunktion für den Abschluss des Arbeitsvertrages selbst für notwendig erachtet, ist fraglich, wieso der bloße Nachweis der Vertragsbedingungen einer strengeren Form unterliegen können soll.
2. Besondere Schriftformerfordernisse bleiben unberührt
Unabhängig davon, ob und wie die Anpassung des NachwG vollzogen werden wird, wäre davon allein das Schriftformerfordernis für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen betroffen. Demnach wären weiterhin insbesondere die folgenden gesetzlichen Schriftformerfordernisse zu beachten:
• Kündigung und Abschluss von Aufhebungsverträgen (§ 623 BGB)
• Befristungsabreden, auch bei Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über Regelaltersgrenze hinaus (§ 14 Abs. 4 TzBfG)
• Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (§ 74 Abs. 1 HGB)
Auch wenn sich die letzten beiden Schriftformerfordernisse allein auf die konkrete Regelung – Befristung bzw. Wettbewerbsverbot beziehen – werden befristete Arbeitsverträge und auch solche mit nachvertraglichen Wettbewerbsabreden in der Praxis in der Regel sowieso schriftlich abgeschlossen, wodurch den Anforderungen des NachwG automatisch entsprochen wird.
3. Unklare Bedeutung der geplanten weiteren Gesetzesänderung
Die ersten Reaktionen auf das Rundschreiben des Bundesjustizministers und der geplanten Absenkung des Formerfordernisses von der Schrift- auf die Textform sind grundsätzlich positiv. Aus dem Rundschreiben wird jedoch nicht deutlich, wie genau das NachwG geändert werden soll. Insbesondere erfolgt gerade keine vollständige Abkehr vom Schriftformerfordernis.
a. Anforderungen an Textform
Bemerkenswert ist zunächst, dass anscheinend nicht geplant ist, im NachwG das Wort „schriftlich“ durch „in Textform“ zu ersetzen. Stattdessen zitiert das Bundesjustizministerium in seinem Rundschreiben den Richtlinienwortlaut (Art. 3 der Richtlinie), ausweislich dessen die Textform nur unter bestimmten Bedingungen zulässig sein soll:
„Konkret soll im Nachweisgesetz künftig der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden, sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält.“
Laut Aussage des Bundesjustizministers werde eine einfache E-Mail diesen Anforderungen gerecht. Im Ergebnis bedürfte es dann keines gesonderten Übermittlungs- oder Empfangsnachweises (z.B. durch Abgabe einer Eingangsbestätigung durch den Arbeitnehmer), sollte die Auffassung des Ministers Gesetz werden.
b. Kein Ende der Schriftform
Sofern der Arbeitnehmer auf einen Nachweis in Schriftform besteht, soll es nach dem Rundschreiben aber weiterhin beim Schriftformerfordernis bleiben:
„Nur wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dies verlangen, muss der Arbeitgeber ihnen einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen. Lediglich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung erhalten bleiben.“
Damit müssen Arbeitgeber auch weiterhin Prozesse vorhalten, die die Ausgabe von schriftlichen Nachweisen der wesentlichen Arbeitsbedingungen vorsehen. Für die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen (z.B. Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe oder Gebäudereinigungsgewerbe) soll es in jedem Fall bei der Schriftform verbleiben.
c. Unklares Nebeneinander von Text- und Schriftform
Neben der praktischen Relevanz der Änderung des NachwG ist zudem offen, wie das Gesetz angepasst werden soll. So ist der Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen innerhalb der in § 2 Abs. 1 S 3 NachwG geregelten Fristen (spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung sowie am siebten Kalendertag bzw. einem Monat nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses) zu erbringen. Für bereits vor dem 1. August 2022 bestandene Arbeitsverhältnisse gilt die Übergangsregelung nach § 5 NachwG, wonach der Nachweis nur nach Aufforderung des Arbeitnehmers und dann innerhalb von sieben Tagen nach Zugang der Aufforderung zur Verfügung gestellt werden muss.
Wenn ein Arbeitgeber den Anspruch bereits in Textform erfüllt hat, ist fraglich, ob der Arbeitnehmer dann immer noch einen Nachweis in Schriftform verlangen können soll oder ob letzteres nur möglich sein soll, solange noch kein Nachweis in Textform erbracht worden ist. Sollten diese und andere Widersprüche zwischen Schrift- und Textform im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgelöst werden, wird – dies lässt sich bereits heute prognostizieren – mit der vermeintlichen Liberalisierung des NachwG kein Bürokratieabbau einhergehen. Im Gegenteil bedeutete dies für die Praxis unnötige Rechtsunsicherheit und im Zweifel doch die Entscheidung für die schriftliche Form, um sich später nicht doch dem Risiko eines bußgeldbewährten Formverstoßes ausgesetzt zu sehen.
4. Empfehlungen für praktische Umsetzung
Die Schriftform bleibt den Arbeitgebern damit wohl weiterhin erhalten, sofern im Unternehmen nicht flächendeckend auf die die Schriftform ersetzende elektronische Form samt qualifizierter elektronischer Signatur zurückgegriffen wird. Hierbei ist zu beachten, dass zwischen verschiedenen Arten von elektronischen Signaturen, der einfachen, fortgeschrittenen sowie qualifizierten elektronischen, zu unterscheiden ist und bekannte Anbieter wie z.B. DocuSign sämtliche Varianten anbieten. Lediglich die qualifizierte elektronische Signatur soll die Schriftform nach dem NachwG künftig ersetzen können.
Wenn arbeitsvertragliche Vereinbarungen ausnahmslos schriftlich abgeschlossen werden, sollte darauf geachtet werden, dass die entsprechenden Verträge bereits alle nach dem NachwG erforderlichen Angaben enthalten. In dem Fall entfällt eine gesonderte Nachweispflicht bereits heute (§ 2 Abs. 5 NachwG, § 5 S. 2 NachwG).
Für Fälle, in denen gesonderte Nachweise der wesentlichen Arbeitsbedingungen erforderlich sind, ist zu berücksichtigen, dass es allein einer Unterzeichnung durch den Arbeitgeber und damit bei Gesellschaften durch einen entsprechenden Vertreter bedarf. Um Geschäftsführer, Vorstände sowie Prokuristen und sonstige vertretungsberechtigte wie Personalleiter zu entlasten, könnte es sich anbieten, Mitarbeiter aus dem HR-Bereich zu ermächtigen, einen solchen schriftlichen Nachweis für die Gesellschaft unterzeichnen zu dürfen. Die entsprechende Bevollmächtigung könnte innerhalb des Betriebs z.B. im Intranet bekanntgegeben werden.
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