Wie entlasse ich einen Generalbundesanwalt?

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Justizminister Heiko Maas (SPD) hat im Streit gegen den Internetblog „Netzpolitik.org“ den Generalbundesanwalt Harald Range entlassen. Aufgrund schwerer Anschuldigungen seitens des Generalbundesanwalts sei das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört, so Maas.

Ausgangspunkt des Eklats vom Dienstagabend (4. August 2015) waren die laufenden Ermittlungen gegen die Internetblogger von „Netzpolitik.org“. Im Februar und April dieses Jahres hatten die Blogger unter Bezugnahme auf vertrauliche Dokumente über geheime Pläne des Verfassungsschutzes berichtet, Online-Netzwerke stärker überwachen zu wollen. Nachdem der Verfassungsschutz Anzeige erstattete, leitete Generalbundesanwalt Range ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei der Blogger ein. Zur Sachverhaltsaufklärung gab er ein externes Gutachten in Auftrag.

Erst nach Wochen der Untätigkeit erteilte Justizminister Maas dem Generalbundesanwalt die Anweisung, das externe Gutachten sofort zu stoppen und den Auftrag zurückzuziehen. Range befolgte diese Anweisung, erklärte jedoch: „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“ (http://www.welt.de/144790214) Aufgrund dieser Kritik sieht Justizminister Maas das Vertrauensverhältnis als nachhaltig gestört an.

Im Gegensatz zu Richtern sind Staatsanwälte grundsätzlich weisungsgebunden. Nach § 146 GVG haben die Beamten der Staatsanwaltschaft den „dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen“. Die Zuständigkeit zur Erteilung von Weisungen ergibt sich aus § 147 GVG, der regelt, wem „das Recht der Aufsicht und Leitung“ zusteht. Staatsanwälte sind daher auf der einen Seite Teil der unabhängigen Judikative, auf der anderen Seite aber auch Teil der Exekutive und unterliegen als solche Weisungen.

Aus dem Zusammenspiel der §§ 146, 147 GVG ergeben sich folgende Weisungsbefugnisse:

Der Bundesminister der Justiz steht gegenüber dem Generalbundesanwalt und den Bundesanwälten das Weisungsrecht zu.

Der Generalbundesanwalt ist weisungsbefugt gegenüber den Bundesanwälten.

Die Weisungsbefugnis gegenüber allen staatsanwaltlichen Beamten des betreffenden Landes obliegt den Landesjustizverwaltungen (Justizminister bzw. Justizsenatoren auf Landesebene).

Als „erster Beamter der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten“ ist der Generalstaatsanwalt weisungsbefugt gegenüber allen Beamten der Staatsanwaltschaft seines Bezirks einschließlich der Leitenden Oberstaatsanwälte bei den Landgerichten seines OLG-Bezirks. Diese wiederum sind als „erste Beamte der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten“ gegenüber allen Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks weisungsbefugt.

Das Weisungsrecht ist dabei weit gefasst. Unzulässig sind allein offenkundig rechtswidrige Anweisungen oder solche aus „justizfremden Zwecken“. Eine weitere Grenze stellt das Legalitätsprinzip dar, welches die Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungen verpflichtet, wenn sie Kenntnis von einer Straftat erlangen.

Im Streit um den Internetblog „Netzpolitik.org“ ging es allerdings ausschließlich um die rechtliche Bewertung des Sachverhalts. Range und Maas vertraten unterschiedliche Rechtsauffassungen dazu, ob die Blogger tatsächlich „Staatsgeheimnisse veröffentlicht“ hatten. Während Range und der externe Gutachter diese Frage bejahten, war Maas gegenteiliger Ansicht. In diesem Fall war das Weisungsrecht von Justizminister Maas unzweifelhaft gegeben. Generalbundesanwalt Range musste der Weisung Folge leisten. Dies hat er zwar auch getan. Durch seine kritische Äußerung gegenüber Justizminister Maas hat er jedoch das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig gestört, sodass Maas eine weitere Zusammenarbeit für nicht praktikabel hält.

Nach § 54 Abs. 1 Nr. 5 Bundesbeamtengesetz (BBG) kann die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident jederzeit die Generalbundesanwältin oder den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in den einstweiligen Ruhestand versetzen, wenn sie Beamtin auf Lebenszeit oder Beamter auf Lebenszeit ist. Innerhalb des weiten Ermessens der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten genügt für die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand jeder Grund, der die fortdauernde Übereinstimmung der Amtsführung des Beamten mit der Regierungspolitik in Frage zu stellen geeignet ist. Rechtswidrig ist die Maßnahme nur, wenn sie willkürlich ergeht, d. h. wenn überhaupt keine sachlichen Gründe vorliegen, oder die politische Begründung nur vorgeschoben wird, um unzulässige Beweggründe zu vertuschen. In einer Pressekonferenz am 4. August 2015 teilte Justizminister Maas mit, er werde die Versetzung Ranges in den Ruhestand noch am selben Abend im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt beim Bundespräsidenten beantragen.

 

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