BGH erklärt sog. Schriftformheilungsklauseln in Gewerberaummietverträgen für unwirksam

Der für das Gewerberaummietrecht zuständige 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs („BGH“) hat am 27.09.2017 mit einem Paukenschlag die hier beigefügte Entscheidung verkündet, in welchem er zu der seit einigen Jahren kontrovers diskutierten Grundsatzfrage der Wirksamkeit von sog. Schriftformheilungsklauseln in Gewerberaummietverträgen Stellung nimmt. Zuvor hatte sich der BGH in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2014 sowie einem Urteil zu Beginn diesen Jahres mit Schriftformheilungsklauseln befasst. In diesen hatte er sogar teilweise die Streitfrage über deren Wirksamkeit in seinen Ausführungen umfänglich dargestellt, in der Sache jedoch nur insoweit Stellung bezogen, als dass jedenfalls ein Grundstückserwerber nicht durch eine individual- oder formularvertragliche Vereinbarung der Ursprungsparteien gebunden werden kann und demzufolge seine Kündigung unter Berufung auf einen Schriftformmangel nicht treuwidrig ist. Höchstrichterlich weiterhin offen war die Frage der Wirksamkeit entsprechender Absprachen zumindest zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien.

 Klarstellendes Urteil des BGH

Der BGH hat sich nun – sehr überraschend entgegen der überwiegenden Ansicht der Oberlandesgerichte und der gängigen Mietvertragskautelarpraxis – unter Verweis auf den zwingenden Charakter des § 550 BGB dem Oberlandesgericht Rostock angeschlossen und die Grundsatzfrage der Wirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln unabhängig davon, ob sie individualvertraglich oder als allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart werden, verneint. Der Senat begründet dies damit, dass Schriftformheilungsklauseln letztlich nichts anderes darstellen als eine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Schriftform des § 550 BGB, der jedoch seiner Natur nach unabdingbar sei. Die griffige Argumentation der bisher überwiegenden Ansicht, durch Schriftformheilungsklauseln werde lediglich der Wille der Mietvertragsparteien durchgesetzt, den eingegangen Vertrag zu erfüllen (pacta sunt servanda), greife zu kurz. Nach der zwingenden Vorschrift des § 550 BGB solle bei Schriftformmängeln gerade kein langfristiges Mietverhältnis zwischen den Vertragsparteien zustande kommen. Mit dem Schriftformerfordernis habe der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit bewusst dahingehend eingeschränkt, dass langfristige mietvertragliche Bindungen über Grundstücke und Räume, die nicht Wohnzwecken dienen, der Schriftform bedürfen. Der Schutzzweck der gesetzlichen Schriftform gelte nicht nur für den Käufer einer vermieteten Immobilie. Dem Schriftformerfordernis liege vielmehr auch eine Warnfunktion zugrunde: Dem unbedachten Eingehen langfristiger Vertragsbindungen soll vorgebeugt werden. Der beabsichtigte Übereilungsschutz würde jedoch weitgehend ausgehöhlt, soweit die Vertragsparteien an eine nicht schriftliche Vereinbarung für die volle Grundlaufzeit des Mietvertrages gebunden wären. Schriftformheilungsklauseln können daher keine rechtliche Wirksamkeit erlangen, weil sie mit § 550 BGB als zwingendem Recht unvereinbar seien. Der BGH hat in seinem Urteil aber auch klargestellt, dass die Kündigung einer Mietvertragspartei im Einzelfall gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen kann. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene schriftformwidrige Vereinbarung, die lediglich für die kündigende Partei wirtschaftlich vorteilhaft ist, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen. Insofern kann – unabhängig von der vertraglich vereinbarten Schriftformheilungsklausel – die Kündigung wegen einem Verstoß gegen § 550 BGB dennoch ausgeschlossen sein.

 Auswirkungen auf die Praxis

Der BGH hat mit seiner aktuellen Entscheidung den vielfachen Erwartungen einer klaren Positionierung zu obiger Streitfrage (endlich) entsprochen – wenngleich mit einem sicherlich überraschenden Ergebnis – und Schriftformheilungsklauseln für unwirksam erklärt, weil sie mit der Natur des § 550 BGB als zwingendem Recht unvereinbar seien. Folgerichtig können Mietvertragsparteien grundsätzlich bei Vorliegen eines Schriftformmangels jederzeit das ursprünglich langfristig eingegangene Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich kündigen, ohne sich dem Einwand der Treuwidrigkeit der Kündigung ausgesetzt sehen zu müssen. Nur in engen Ausnahmefällen wird die Kündigung einer Vertragspartei weiterhin rechtsmissbräuchlich sein mit der Folge, dass die Kündigung trotz Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis ausgeschlossen ist.

Die bisherige Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung, hin zu einer Beschränkung der Bedeutung von Schriftformmängeln, hatte sich unter den Teilnehmern des Immobilienmarkts längst herumgesprochen – mit bedenklichen Folgen: Gerade bei zeitkritischen Immobilientransaktionen lassen sich auch professionelle Akteure nicht selten verleiten, Schriftformmängel in der Mietvertragsdokumentation sehenden Auges als verschmerzbar hinzunehmen, solange die Bindung an den Mietvertrag durch Schriftformheilungsklauseln sichergestellt zu sein scheint. Mit derartigem Laissez-faire dürfte spätestens nach der nunmehr ergangenen Entscheidung des BGH Schluss sein. Die Kündigung langfristiger Gewerberaummietverträge aufgrund von Schriftformmängeln bleibt damit ein Dauerbrenner, jetzt vermutlich sogar mehr denn je. Umso mehr empfiehlt es sich nun, bei der Gestaltung und beim Abschluss gewerblicher Mietverträge größte Sorgfalt walten zu lassen und Asset und Property Manager entsprechend zu sensibilisieren sowie ggf. anwaltliche Hilfe hinzuzuziehen.

 Hintergrund

 Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform des § 550 BGB bei Abschluss langfristiger Mietverträge ist nach wie vor eine der wichtigsten und wirtschaftlich bedeutendsten Fragen im gewerblichen Mietrecht. Das gesetzliche Schriftformerfordernis für Mietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr besagt, dass alle für das Mietverhältnis wesentlichen Umstände (z.B. Mietgegenstand, Miete, Laufzeit etc.) in der mietvertraglichen Urkunde niedergelegt sein müssen. Diesem Schriftformerfordernis liegt zum einen eine Beweis- und Warnfunktion zugrunde, und zum anderen soll der Erwerber einer vermieteten Immobilie geschützt werden, der gemäß § 566 BGB kraft Gesetz mit Eigentumsübergang in das Mietverhältnis eintritt. Ihm soll die Möglichkeit gegeben sein, sich über alle das Mietverhältnis betreffenden wesentlichen Umstände aus der Mietvertragsurkunde informieren zu können. Um den vielfältigen Problemen im Zusammenhang mit der Wahrung der gesetzlichen Schriftform zu entgehen, versuchte die Kautelarpraxis bislang durch Schriftformheilungsklauseln den sich aus dem Schriftformerfordernis ergebenden Kündbarkeitsrisiken zu begegnen. Darin verpflichten sich die Mietvertragsparteien in Kenntnis des gesetzlichen Schriftformerfordernisses, im Falle eines Schriftformmangels den Vertrag nicht zu kündigen und durch Abschluss eines schriftformkonformen Nachtrags zum Mietvertrag den Mangel zu heilen. Die Wirksamkeit und Reichweite solcher Schriftformheilungsklauseln zählte zu den wohl umstrittensten Fragen im Gewerberaummietrecht. Dies lag nicht zuletzt daran, dass sich der BGH in seinen hierzu vor dem 27.09.2017 ergangenen Entscheidungen bewusst bedeckt gehalten hat.

 

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