Bürgschaften auf erstes Anfordern in Hotel-Betreiberverträgen – Marktstandard, aber kein Ersatz für eine Barkaution

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In Betreiberverträgen werden Sicherheiten überwiegend in Form von Höchstbetragsbürgschaften auf erstes Anfordern vereinbart. Dabei verpflichtet sich der Bürge, auf einfaches Verlangen des Eigentümers unter einstweiligem Verzicht auf etwaige Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis auf die Forderungen des Eigentümers zu leisten. Eintritt des Bürgschaftsfalls und etwaige Einwendungen des Bürgen sind dann Gegenstand eines nachgelagerten Rückforderungsprozesses. Der Eigentümer sieht die Bürgschaft auf erstes Anfordern daher gern als „Back-up“, sollte es im laufenden Vertragsverhältnis einmal Streit über Zahlungsansprüche gegen den Betreiber geben. Für den Betreiber hingegen hängt die Inanspruchnahme der Bürgschaft als Damoklesschwert über jeglichen Verhandlungen, die über etwaige Zahlungsrückstände geführt werden. Aber kann der Eigentümer tatsächlich während des laufenden Vertragsverhältnisses ohne Weiteres auf die Bürgschaft zugreifen? Muss sich der Betreiber dies stets gefallen lassen?

Gerade im Zusammenhang mit den pandemiebedingten Betriebsbeschränkungen der letzten 3 Jahre tritt noch immer regelmäßig die Frage auf, ob die vertraglich vereinbarte Miete in der Zeit der behördlich angeordneten Betriebsschließungen und Zugangsbeschränkungen in voller Höhe zu zahlen war oder ob sich diese nach den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB vorübergehend reduziert.

In Fällen, in denen eine einvernehmliche Lösung durch die Vereinbarung von Stundungen, Laufzeitverlängerungen oder durch den teilweisen Erlass von Zahlungsforderungen nicht zu erreichen ist, stellt der Rückgriff auf die Bürgschaft auf erstes Anfordern eine für den Eigentümer vermeintlich einfache Lösung dar, um sich wegen streitiger Forderungen im laufenden Vertragsverhältnis schadlos zu halten. Auf Betreiberseite stellt sich hingegen regelmäßig die Frage, ob ein Zugriff auf die geleistete Bürgschaft bei streitigen Forderungen überhaupt berechtigt ist und wie die Auszahlung der Bürgschaftssumme - zumindest vorübergehend bis zur Entscheidung über das Bestehen der Forderung - abgewendet werden kann.

Bestrittene, unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen

Die Zugriffsrechte des Eigentümers auf die geleistete Sicherheit sind während der Laufzeit des Betreibervertrags eingeschränkt – und zwar auch dann, wenn nach der im Vertrag vereinbarten Sicherungsabrede „sämtliche Forderungen aus dem Vertragsverhältnis und dessen Beendigung“ abgedeckt sind. Insoweit ist zwischen bestrittenen Forderungen einerseits und unbestrittenen/rechtskräftig festgestellten Forderungen andererseits zu unterscheiden.

  • Bestrittene Forderungen

Nach herrschender Rechtsprechung ist ein Zugriff auf die Sicherheit im laufenden Mietverhältnis wegen bestrittener Forderungen unzulässig (BGH, Urteil v. 07.05.2014, VIII ZR 234/13).

Der BGH führt hierzu aus, eine Berechtigung des Vermieters zur Verwertung der Sicherheit wegen bestrittener Ansprüche im laufenden Mietverhältnis führe zu einer unzulässigen Verlagerung des Insolvenzrisikos zulasten des Mieters. Denn dieser sei im Hinblick auf seinen Herausgabe-/Rückerstattungsanspruch im Fall eines unberechtigten Zugriffs auf die Sicherheit dem Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Vermieters ausgesetzt. Mit der Vermischung des ausbezahlten Sicherheitsbetrages mit dem Vermietervermögen könnten auch potentielle Gläubiger des Vermieters auf den Sicherheitsbetrag zugreifen.

Dies gilt auch für die Sicherheit in Form einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im Rahmen von Betreiberverträgen, die im Hospitality-Bereich in der Regel als Miet- oder Pachtverträge abgeschlossen werden.

  • Unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Forderungen

Anders liegt es bei unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Forderungen. Wegen dieser Forderungen kann nach einhelliger Auffassung auch im laufenden Vertragsverhältnis eine bestehende Mietsicherheit in Anspruch genommen werden. Eine unzulässige Verlagerung des Insolvenzrisikos auf den Betreiber ist in diesem Fall nicht zu befürchten, da ein Rückforderungsprozess aufgrund der Einigkeit der Parteien über das Bestehen der Forderung nicht angestrengt wird oder ein solcher aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt, da das Bestehen der Forderung bereits rechtskräftig festgestellt ist.

  • Unwirksamkeit der Bürgschaft auf erstes Anfordern als AGB?

Eine unzulässige Inanspruchnahme der Bürgschaft kann sich darüber hinaus auch aus AGB-rechtlichen Beschränkungen ergeben. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach der gesetzlichen Definition in § 305 Abs. 1 BGB bei vorformulierten Vertragsbedingungen vor, die für eine Vielzahl von Verträgen gleichermaßen verwendet werden sollen und von einer Vertragspartei bei Vertragsabschluss einseitig gestellt werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind den besonderen gesetzlichen Beschränkungen in § 307 ff. BGB unterworfen, um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu vermeiden.

Die Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Rechtsprechung des BGH auch im Rahmen von gewerblichen Vertragsverhältnissen unwirksam (BGH, Urteil v. 18.04.2002, VII ZR 192/01). Die unangemessene Benachteiligung ist dabei nach der Argumentation des BGH darin zu sehen, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern über das Sicherungsinteresse des Verwenders hinausgehe, da ein Zugriff unabhängig von dem tatsächlichen Vorliegen eines Sicherungsfalls möglich sei. Die andere Partei sei daher der Gefahr ausgesetzt, mit dem Rückgriff des Bürgen belastet zu werden, ohne dass ein Anspruch des Verwenders bestehe.

Die Regelungen zur Bürgschaft auf erstes Anfordern im Betreibervertrag sollten daher von beiden Parteien bestenfalls bereits beim Abschluss des Betreibervertrags, spätestens aber vor der Inanspruchnahme der Bürgschaft dahingehend überprüft werden, ob es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Zu einer Individualklausel kann eine Klausel nur dann werden, wenn die Parteien hierüber – ggf. im Zusammenhang mit einem im Vertrag angelegten Sicherheitenpaket - nachhaltig verhandelt haben. Hierauf ist zu achten.

  • Verpflichtung zur Wiederauffüllung der Bürgschaft?

Eine Verpflichtung des Betreibers zur Wiederauffüllung der Bürgschaft besteht grundsätzlich auch ohne eine besondere vertragliche Regelung. Denn die vertragliche Verpflichtung, eine Sicherheit in der vereinbarten Höhe bereit zu stellen, besteht für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses. Gleichwohl besteht die Verpflichtung des Betreibers zur Wiederauffüllung der Sicherheit nur dann, wenn der Eigentümer berechtigterweise auf die Sicherheit zugegriffen hat. War die Inanspruchnahme der Sicherheit hingegen unzulässig, hat der Eigentümer die Sicherheit wieder auf die vertraglich vereinbarte Höhe aufzufüllen.

Vorläufiger Rechtsschutz gegen den Zugriff auf die Bürgschaft auf erstes Anfordern

Soll eine Sicherheit wegen einer streitigen Forderung von dem Eigentümer in Anspruch genommen werden, muss der Betreiber keineswegs tatenlos zusehen und sich auf einen nachgelagerten Rückforderungsprozess einlassen. Mit der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der §§ 935 ff. ZPO kann dem Eigentümer die Verwertung der Sicherheit vorerst durch gerichtlichen Beschluss untersagt werden, bis eine Entscheidung über die streitige Forderung im Hauptsacheverfahren ergangen ist. Der Eigentümer kann die Sicherheit in diesem Fall nicht als schnelles Back-up für offene Forderungen verwenden.

  • Zuständigkeiten und Voraussetzungen

Zuständig für den Erlass eines einstweiligen Verfügungsbeschlusses sind in der Regel die Landgerichte, in deren Bezirk die Immobilie gelegen ist. Der Antrag auf Erlass eines solchen Beschlusses setzt voraus, dass der Zugriff auf die Sicherheit im Einzelfall unzulässig ist (Verfügungsanspruch) und eine objektive Dringlichkeit dergestalt vorliegt, dass der Zugriff in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rechtzeitig abgewendet werden kann (Verfügungsgrund).

Die Tatsachen, die Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund begründen, sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft zu machen, § 294 ZPO. Die Glaubhaftmachung erfordert dabei nur, dass das Vorliegen einer Tatsache nach der Würdigung der vorgelegten Beweismittel überwiegend wahrscheinlich ist. Damit ist das Beweismaß im Vergleich zum Hauptsacheverfahren im Interesse einer kurzen Verfahrensdauer deutlich herabgesetzt.

  • Was es zu beachten gilt

Betreiber sollten mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Fall eines Zugriffs auf die Sicherheit nicht zu lange zögern und bereits auf die erste Androhung des Eigentümers zeitnah reagieren.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist auf Tempo angelegt. Über die Sicherung oder Regelung eines Sachverhalts soll im Einzelfall möglichst schnell eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden. In Übereinstimmung mit diesem Verfahrenszweck soll auch das prozessuale Verhalten des Antragstellers erkennen lassen, dass Eile geboten ist. Zwischen der ersten Androhung der Inanspruchnahme der Sicherheit durch den Eigentümer und dem Einreichen des Antrags bei Gericht sollte daher kein unangemessen langer Zeitraum liegen. Denn vorprozessuales Zögern des Antragsstellers kann von dem zuständigen Gericht als „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten ausgelegt werden und den Verfügungsgrund entfallen lassen.

Ab wann von einem Entfall der Dringlichkeit auszugehen ist, beurteilen die Gerichte anhand der Umstände des Einzelfalls (OLG Hamburg, Urteil v. 10.11.2014, 5 U 159/13). Das Zuwarten des Antragstellers über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten wird in der Regel als dringlichkeitsschädlich bewertet. In diesem Zusammenhang ist auch bei der Stellung von Fristverlängerungsanträgen seitens des Betreibers Vorsicht geboten.

Das Recht auf prozessuale Waffengleichheit gilt auch im einstweiligen Rechtsschutz – eine Anhörung des Eigentümers vor der Entscheidung über die einstweilige Verfügung ist daher in der Regel erforderlich.

Das vom BVerfG entwickelte Recht auf prozessuale Waffengleichheit sichert die Gleichwertigkeit der Parteien vor Gericht (BVerfG, Beschluss v. 01.12.2021, 1 BvR 2708/19). Das Gericht ist demnach verpflichtet, auch dem Antragsgegner die Möglichkeit einzuräumen, alles für die Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel geltend zu machen. Dies hat durch eine gerichtliche Anhörung des Antragsgegners zu erfolgen, sofern diesem die Antragsschrift nicht bereits vor der Einreichung bei Gericht als Entwurf zur Stellungnahme vorgelegt wurde. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und Anhörung des Antragsgegners ist nur ausnahmsweise bei besonderer Dringlichkeit (§ 937 Abs. 2 ZPO) zulässig, die vom Antragsteller gesondert zu begründen ist.

Auf die Androhung des Eigentümers, die Bürgschaft in Anspruch zu nehmen, sollte daher zunächst der Hinweis auf das beabsichtigte einstweilige Verfügungsverfahren sowie eine kurze Darlegung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund erfolgen. Hat der Eigentümer die Auszahlung der Bürgschaftssumme bereits bei dem Bürgen angefordert, ist hingegen die sofortige Einreichung des Antrags bei Gericht geboten.

Der einstweilige Verfügungsbeschluss muss formal zugestellt werden – verantwortlich für die korrekte Zustellung ist der Antragsteller.

Ist die begehrte Verfügung erwirkt, muss diese dem Antragsgegner möglichst schnell zugestellt werden. Anders als im Hauptsacheverfahren hat der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren die Zustellung selbst zu bewirken. Diese erfolgt nach den prozessualen Vorgaben durch den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher, der bei der Gerichtsvollzieherverteilerstelle des örtlich zuständigen Amtsgerichts zu ermitteln ist. Um nicht nur dem Eigentümer, sondern auch dem Bürgen ein Original des Verfügungsbeschlusses übermitteln zu können, ist eine ausreichende Anzahl an Entscheidungsausfertigungen bei Gericht zu beantragen. Dies ist bereits bei der Formulierung der Antragsschrift zu berücksichtigen.

Mit dem Widerspruch gegen den einstweiligen Verfügungsbeschluss gemäß §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO steht auch dem Eigentümer ein Tool zur Verfügung, um die Rechtmäßigkeit des Zugriffs auf die Bürgschaft gerichtlich überprüfen und einen bereits erlassenen Verfügungsbeschluss wieder aufheben zu lassen. Eine Widerspruchsfrist legt das Prozessrecht nicht fest, jedoch sollte auch hier kein unangemessen langer Zeitraum zwischen dem Erlass der Verfügung und der Erhebung des Widerspruchs vergehen. Das Nichtvorliegen des Verfügungsanspruchs und/oder des Verfügungsgrundes sind mithilfe präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen, § 294 ZPO. Über den Widerspruch und die Zulässigkeit des Zugriffs auf die Bürgschaft entscheidet das Gericht nach mündlicher Verhandlung sodann per Endurteil.

Conclusion

Noch immer wird die Bürgschaft auf erstes Anfordern vom Markt als gleichwertiger Ersatz für eine Barkaution angesehen. Dies ist jedoch nicht immer zutreffend. Bei streitigen Forderungen aus den Betreibervertrag ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht als Liquiditätspolster zu sehen, aus dem sich der Eigentümer ohne Weiteres schadlos halten kann. Bereits die Androhung eines Zugriffs gegenüber dem Betreiber stellt einen Verfügungsgrund dar, der zusammen mit den übrigen Voraussetzungen den Erlass eines einstweiligen Verfügungsbeschlusses begründen kann. Aus Eigentümersicht ist daher bereits bei der Verwendung der Bürgschaft als „Druckmittel“ Vorsicht geboten.

Aus Betreibersicht ist im Fall streitiger Forderungen eine gute Vorbereitung auf eine etwaige Androhung der Inanspruchnahme der Bürgschaft entscheidend, um im Ernstfall im Wege des Eilrechtsschutzes schnell reagieren zu können.

Ein einstweiliges Verfügungsverfahren führt im Ergebnis nicht zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Forderung, wegen derer der Eigentümer die Inanspruchnahme der Bürgschaft angedroht hat. Dies ist grundsätzlich Gegenstand eines separaten Hauptsacheverfahrens, das auf Zahlung des streitigen Forderungsbetrages gerichtet ist. Dennoch kann das einstweilige Verfügungsverfahren entscheidende Verhandlungsimpulse bieten und hierdurch zur Vermeidung eines Hauptsacheverfahrens beitragen.

Letztlich ist eine Bankbürgschaft auf erstes Anfordern in Hotel-Betreiberverträgen nur im Hinblick auf unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Forderungen ein probates Mittel, offene Forderungen einzutreiben. „As good as cash“ ist sie im Ergebnis sicher nicht.

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