Stärkung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes

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Die Neuerungen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, die in weiten Teilen zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten sind, haben die hohen Erwartungen nicht vollständig erfüllt. Nunmehr liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums der Finanzen für ein Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz vor, um das "Potential für hocheffiziente Zusatzrenten" (so die Einschätzung im Referentenentwurf) zu heben. Wie dies gelingen soll, wird anhand der wichtigsten Änderungen in diesem Beitrag erläutert.


1. Beitragszusage im Sozialpartnermodell

Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde 2018 die Möglichkeit geschaffen, reine Beitragszusagen zu gewähren. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland – anders als international üblich – nur beitragsorientierte Leistungszusagen oder Beitragszusagen mit Mindestleistung. In beiden Fällen werden (beitragsorientierte) Mindestleistungen versprochen, so dass es (theoretisch) möglich ist, dass Arbeitgeber*innen trotz Beitragszahlung im Versorgungsfall noch Differenzen ausgleichen müssen, wenn die zugesagte Mindestleistung nicht erreicht wird.

Garantien oder Mindestleistungen gibt es in der reinen Beitragszusage nicht (§ 22 Abs. 1 BetrAVG). Arbeitgeber*innen trifft über die Zahlung der Beiträge hinaus keine weitere Einstandspflicht. Die Beitragszusage ist allerdings nur in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags unter Beteiligung der Tarifvertragsparteien zulässig (§ 21 Abs. 1 BetrAVG). Bislang wurden erst drei solcher Beitragszusagen durch Tarifvertrag geschaffen. Ein zentrales Ziel des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist deshalb die größere Verbreitung der Beitragszusage.


1.1 Beteiligung der Sozialpartner an Beitragszusagen

Bislang und weiterhin wird die Bedeutung der Tarifvertragsparteien betont. Die Tarifvertragsparteien müssen sich an der Durchführung und Steuerung der Beitragszusage beteiligen. Das Gesetz übernimmt dementsprechend die in der Praxis geläufige Bezeichnung "Sozialpartnermodell".

Wenngleich noch in der Gesetzesbegründung zum Betriebsrentenstärkungsgesetz die Rolle der Tarifvertragsparteien insbesondere bei der Durchführung und Steuerung der Sozialpartnermodelle hervorgehoben wurde (BT-Drucksache 18/11286, S. 32 f.), soll in Zukunft eine fehlerhafte Beteiligung der Sozialpartner unschädlich sein. Die Beitragszusage bleibt dennoch wirksam. Eine Erheblichkeitsschwelle gibt es nicht. Jede noch so geringe und infolgedessen fehlerhafte Beteiligung der Tarifvertragsparteien wäre daher für eine wirksame Beitragszusage ausreichend, selbst wenn die Beteiligung offensichtlich unzureichend, faktisch möglicherweise gar nicht existent ist (z.B. Anwesenheitsrechte).


1.2 Einführung von Sozialpartnermodellen außerhalb von Tarifverträgen

Um Sozialpartnermodelle zu verbreiten, sollen die Möglichkeiten ihrer Einführung durch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz erweitert werden:

  1. Einführung durch Tarifvertrag (wie bisher);
  2. Einführung auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (wie bisher);
  3. Bezugnahme auf einen (räumlich, zeitlich, betrieblich-fachlich und persönlich) einschlägigen Tarifvertrag durch nicht tarifgebundene Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien (wie bisher);
  4. Bezugnahme auf ein anderes Sozialpartnermodell durch Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, wenn es in einem einschlägigen Branchen- oder Haustarifvertrag eine Öffnungsklausel für ein "fremdes" Sozialpartnermodell gibt;
  5. Bezugnahme auf nicht einschlägigen Tarifvertrag über ein Sozialpartnermodell durch Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, wenn das Arbeitsverhältnis in den Organisationsbereich der Gewerkschaft dieses Sozialpartnermodells fällt.

Wenn die Einführung des Sozialpartnermodells nicht unmittelbar kraft Tarifvertrag erfolgt, ist die Zustimmung der Tarifvertragsparteien des gewählten Sozialpartnermodells erforderlich. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber*innen werden sich aber voraussichtlich aus unternehmenspolitischen Erwägungen heraus genau überlegen, ob sie mit den Tarifvertragsparteien zusammenarbeiten möchten. Wenn Dritte – gemeint sind offenbar nicht tarifgebundene Arbeitgeber*innen und "fremde" (möglicherweise aber tarifgebundene) Arbeitgeber*innen – von den Tarifvertragsparteien aufgenommen werden, können sie an den Kosten des Sozialpartnermodells beteiligt werden.

(a) Öffnungsklausel für "fremde" Modelle

Nach der Begründung des Referentenentwurfs können bei der vertraglichen Bezugnahme auf ein anderes Sozialpartnermodell aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel (vorstehend iv.) auch nur die Organisations- und Durchführungsstruktur des "fremden" Modells genutzt werden und im öffnenden Tarifvertrag abweichende Vorschriften getroffen werden. Dem Gesetz lässt sich das allerdings nicht entnehmen, denn danach müsste in einer Öffnungsklausel die Geltung einer "tariflichen Regelung" vereinbart werden. Zwar wird klargestellt, dass eine Beteiligung der Tarifvertragsparteien der Öffnungsklausel an der Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells nicht erforderlich ist. Daraus ergibt sich aber noch keine Befugnis, abweichende Vorschriften zu treffen. Eine Klarstellung im Gesetz wäre sinnvoll.

Die Gestaltungsfreiheit dürfte jedenfalls nur so weit reichen, wie Abweichungen in dem "fremden" Modell durchführbar sind. Eine "fremde" Versorgungseinrichtung kann nicht zu etwas verpflichtet werden, was sie nicht umsetzen kann (oder will).

Ob diese Möglichkeit einer Öffnungsklausel praktisch von größerer Relevanz sein wird, erscheint zweifelhaft. Denn wenn sich die Tarifvertragsparteien nicht auf ein eigenes Sozialpartnermodell einigen können, ist nicht eingängig, warum sie sich dann auf die Öffnung für ein anderes "fremdes" Modell einigen können sollten. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsfreude der Tarifvertragsparteien steigt, wenn sie auf ein bestehenden System "einfach" nur zugreifen müssen.

(b) Sozialpartnermodell aus dem Organisationsbereich der Gewerkschaft

Die vertragliche Bezugnahme auf einen nicht einschlägigen Tarifvertrag (vorstehend v.) kann derzeit nur Sozialpartnermodelle der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Industriegewerkschaft IGBCE erfassen. Nur diese beiden Gewerkschaften haben bislang Sozialpartnermodelle begründet. Änderungen oder Anpassungen durch Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in sind dabei nicht möglich.

Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, die in den Organisationsbereich der IG Metall fallen, ist ein Verweis auf ein Sozialpartnermodell verwehrt und wird es wohl auch bleiben. Die IG Metall hat auf ihrem Gewerkschaftstag am 25. Oktober 2023 beschlossen, dass eine reine Beitragszusage und somit auch das Sozialpartnermodell für sie ausgeschlossen sind.

(c) Bedeutung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen

Die Einführung einer Beitragszusage durch Betriebsvereinbarung ist weiterhin nicht vorgesehen. Eine erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrats scheidet aus. Denn das Gesetz gibt den Rahmen vor, so dass kein mittbestimmungspflichtiger Entscheidungsspielraum verbleibt. Etwaiger Gestaltungsspielraum wird durch Tarifvertrag geregelt, so dass auch insoweit die Mitwirkung des Betriebsrats nicht erzwungen werden kann. Entsprechendes gilt für Dienstvereinbarungen.

Die Entscheidung, welches "fremde", nicht einschlägige Sozialpartnermodell Anwendung finden soll, können Arbeitgeber*innen ohnehin mitbestimmungsfrei treffen. Auch für eine freiwillige Betriebs- oder Dienstvereinbarung bleibt kein Raum, weil außerhalb der einschlägigen tariflichen Bestimmungen das Gesetz nur Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen vorsieht, die Einführung durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung hingegen allein auf Grundlage eines Tarifvertrags gestattet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG).

(d) Beibehalten der Koppelung an Tarifverträge

Öffnungsklauseln (sowohl die bestehende unter ii. als auch die neue unter iv.) setzen voraus, dass Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen tarifgebunden sind, weil andernfalls die Öffnungsklausel keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis findet – es sei denn, die Öffnungsklausel gestattet ausdrücklich die Aufnahme auch nicht tarifgebundener Arbeitnehmer*innen. Die neue Öffnungsklausel für fremde Modelle wird daher kleinere Arbeitgeber*innen, die typischerweise nicht tarifgebunden sind, weiterhin nicht erreichen. Bei gar keiner oder nur einseitiger Tarifbindung bleibt demnach allein der Verweis außerhalb des tariflichen Regelwerks auf einen einschlägigen oder nicht einschlägigen Tarifvertrag (gemäß iii. oder v.).

Die Bindung an einen Tarifvertrag ist eine Fehlentwicklung. Die Begründung dafür (höhere Akzeptanz bei den Beteiligten, kostengünstige und leistungsstarke Durchführung, branchenspezifische Zuschneidung, Teilhabe der Beschäftigten am Produktivkapital, Berücksichtigung ökologischer und sozialer Belange bei der Kapitalanlage; vgl. BT-Drucksache 18/11286, S. 33) erscheinen nicht zwingend und sind kaum überprüfbar. Die Beitragszusage wird dadurch unnötigerweise unternehmens- und gewerkschaftspolitischen Einflüssen ausgesetzt. Selbst der Referentenentwurf rückt von der hervorgehobenen Rolle der Tarifvertragsparteien ab, da deren fehlerhafte Beteiligung an der Beitragszusage in Zukunft unschädlich sein soll. Auch wenn eine Garantie nicht gewährt wird, ist nicht einsichtig, warum Arbeitnehmer*innen durch Einbindung der Sozialpartner als zusätzliche Instanz in höherem Maße geschützt werden müssten als in ihrer Rolle als Verbraucher bei einer privaten Kapitalanlage. Schutzlos wären sie im Arbeitsverhältnis auch ohne Einbindung der Sozialpartner nicht (insbes. über Finanzaufsicht, AGB-Recht und Aufklärungspflichten).


1.3 Versicherungsaufsicht über Pensionsfonds in Sozialpartnermodellen

Schließlich sollen auch die Möglichkeiten zur Finanzierung einer reinen Beitragszusagen erweitert werden. Dies betrifft Pensionsfonds, Pensionskasse oder ein anderes Lebensversicherungsunternehmen als Versorgungseinrichtung für eine Beitragszusage (§ 22 Abs. 1 BetrAVG). Die vorgeschlagenen Änderungen in § 35 der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung betreffen daher nicht nur Pensionsfonds.

Bei der reinen Beitragszusage ist durch den Verzicht auf Mindestleistungen und Garantien eine flexiblere Kapitalanlage möglich, so dass die Chancen des Kapitalmarkts besser genutzt werden können. Dies führt zu Schwankungen, auch bei laufenden Renten. Um solche Schwankungen in Grenzen zu halten, kann aus Zusatzbeiträgen der Arbeitgeber*innen eine zusätzliche Deckungsrückstellung als Puffer aufgebaut und bei Bedarf verwendet werden. Solche Zusatzbeiträge werden im Tarifvertrag geregelt (§ 23 Abs. 1 BetrAVG). Auf diese Weise kann eine Senkung laufender Zahlungen abgemildert oder vermieden werden. Um die Kapitalanlage noch flexibler zu gestalten, sollen außer den Zusatzbeiträgen der Arbeitgeber*innen zusätzliche Finanzierungsmittel für die Pufferbildung erschlossen werden. Deshalb ist vorgesehen, die zusätzliche Deckungsrückstellung auch mit Ertragsspitzen der Kapitalanlage zu füllen. Der zu Grunde liegende Tarifvertrag muss eine solche zusätzliche Zuführung vorsehen.


2. Abfindung von Anwartschaften und laufenden Leistungen

Die Abfindung von Anwartschaften und laufenden Renten ist grundsätzliche verboten (vgl. § 3 BetrAVG). Die Möglichkeit, Versorgungsanwartschaften dennoch abzufinden, soll aber mit dem Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz erweitert werden.


2.1 Abfindung von Kleinbeträgen

Eine Ausnahme vom Abfindungsverbot gilt für Kleinbetragsanwartschaften. Derzeit können Arbeitgeber*innen geringe Anwartschaften ohne Zustimmung der Arbeitnehmer*innen abfinden (§ 3 Abs. 2 BetrAVG). Dafür darf der Monatsbetrag der aus der Anwartschaft resultierenden laufenden Leistung bei Erreichen der Altersgrenze 1 % und bei Kapitalleistungen zwölf Zehntel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigen. Im Jahr 2024 liegen diese Beträge bei € 35,35 (West)/€ 34,65 (Ost) bzw. bei € 4.242 (West)/€ 4.158(Ost). Dieselben Grenzen gelten auch bei laufenden Leistungen.

Diese Abfindungsgrenzen würden verdoppelt. Allerdings sollen kumulativ zwei Einschränkungen gelten:

  1. Die Abfindung kann nicht ohne Zustimmung der Arbeitnehmer*innen erfolgen und
  2. der Abfindungsbetrag muss in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden.

Dass hier zwei Säulen der Altersvorsorge – die gesetzliche Rente und die bAV – miteinander verknüpft werden, mag den Dogmatiker stören, erscheint aber legitim, um unverhältnismäßigen Administrationsaufwand zu vermeiden. Das Ziel der Altersvorsorge bleibt gewahrt. Zweifel sind aber erlaubt, ob ein solcher "Übertrag" in die gesetzliche Rentenversicherung von den Arbeitnehmer*innen akzeptiert werden wird. Effektiver wäre es sicherlich, diesen Weg als einseitiges Abfindungsrecht der Arbeitgeber*innen auszugestalten.


2.2 Abfindungen im Sozialpartnermodell

Auch Anwartschaften, die im Sozialpartnermodell erworben werden, sollen abgefunden werden können. Hierfür benötigt die Versorgungseinrichtung die Zustimmung der Tarifvertragsparteien. Weitere Grenzen oder Voraussetzungen soll es keine geben.

Zwar ist es schon nach geltendem Recht möglich, von den Beschränkungen des Abfindungsverbots durch Tarifvertrag abzuweichen (§ 19 Abs. 1 BetrAVG). Die neue Vorschrift für das Sozialpartnermodell würde aber offenbar Abfindungen im Einzelfall erlauben, nicht generell-abstrakte Abweichungen durch Tarifvertrag. So könnte jederzeit aus einer Rentenzusage eine Kapitalzusage werden oder sogar vor dem Versorgungsfall ohne Mitwirkung der Arbeitnehmer*innen deren Altersvorsorge gegen Kapitalzahlung „verschwinden“. Dies widerspricht der Wertung des § 3 BetrAVG, die – wie auch das BAG in seiner Rechtsprechung – der Rente für die Absicherung im Alter einen höheren Wert beimisst als einer Einmalzahlung, selbst wenn sie versicherungsmathematisch denselben Wert haben. Da die Tarifvertragsparteien Beteiligte im Sozialpartnermodell sind, erscheint es zweifelhaft, ob sie in jedem Fall die geeignete neutrale Instanz sein können, um die Recht- und Zweckmäßigkeit einer Abfindung zu bewerten.


3. Vorzeitiger Bezug der Betriebsrente

Seit Anfang 2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr. Das heißt, dass während des Bezugs einer vorgezogenen gesetzlichen Rente – egal ob als Vollrente oder nur als Teilrente – weiterhin Erwerbseinkünfte erzielt werden können, ohne dass diese auf die gesetzliche Rente angerechnet werden. Arbeitnehmer*innen können auch schon vor Erreichen der Regelaltersgrenze die gesetzliche Rente in Anspruch nehmen und weiterhin arbeiten, ohne dass ihre Vergütung die gesetzliche Rente schmälert.

Dementsprechend soll in Zukunft auch ein Anspruch auf Betriebsrente bestehen, wenn eine gesetzliche Rente bezogen wird, egal ob diese als Vollrente oder als Teilrente gezahlt wird. Bislang kann Betriebsrente nur verlangen, wer eine Vollrente bezieht.

In der Praxis spielt das keine Rolle, wenn als Leistungsvoraussetzung für die Betriebsrente die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt wird. Durch eine solche Bestimmung soll oft eine "Doppelvergütung" aus Arbeitsentgelt und Betriebsrente ausgeschlossen werden. Dies gilt auch weiterhin. Wer daher in solchen Fällen eine Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und weiterhin bei dem*r Versorgungsschuldner*in beschäftigt ist, kann keine Betriebsrente verlangen. Erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die Betriebsrente gezahlt. Es kommt also auf die Versorgungsordnung oder die Pensionszusage an.


4. Optionssysteme (Opting Out)

Nach derzeit geltendem Recht können sog. Optionssysteme durch Tarifverträgen oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingeführt werden. Dabei beginnt die Entgeltumwandlung für alle Arbeitnehmer*innen oder für eine Gruppe von Arbeitnehmer*innen automatisch, wenn die Arbeitnehmer*innen keinen Widerspruch erheben (Opting Out). Nichttarifgebundene Arbeitgeber*innen können bislang ein einschlägiges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder auf Grund eines einschlägigen Tarifvertrages durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einführung eines Optionssystems regeln. Grundlage muss daher immer ein Tarifvertrag sein.

In Zukunft sollen Arbeitgeber*innen auch ohne Tarifvertrag allein durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung solche Optionssysteme einführen können. Allerdings müssen Arbeitgeber*innen dann einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung in Höhe von 20 % des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss hinzugeben.

Mit dem Zuschuss ist der schon bislang bestehende gesetzliche Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1 BetrAVG in Höhe von 15 % abgegolten. Anders als der schon bestehende Arbeitgeberzuschuss ist der Zuschuss zum Optionssystem jedoch nicht an eine Ersparnis in der Sozialversicherung gekoppelt. Wenn Arbeitnehmer*innen Entgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen umwandeln, bedeutet dieser Zuschuss daher für Arbeitgeber*innen eine finanzielle Mehrbelastung, weil der Zuschuss nicht aus einer Sozialversicherungsersparnis finanziert wird. Die Begründung des Referentenentwurfs geht darauf nicht ein. Ebenso wenig lässt sich dem Referentenentwurf entnehmen, warum dieser zusätzliche Arbeitgeberzuschuss überhaupt gewährt werden soll. Der Hinweis, dies solle "indizieren, dass solche Optionssysteme möglichst effizient organisiert werden", ist nicht nachvollziehbar. Ein einheitlicher Zuschuss für alle Formen der Entgeltumwandlung gemäß § 1a Abs. 1a erscheint vorzugswürdig.

Nicht geregelt werden Optionssysteme auf rein vertraglicher Grundlage für Betriebe ohne Betriebsrat. Allerdings könnten solche Arbeitgeber*innen im Arbeitsvertrag eine abwählbare Klausel zur Entgeltumwandlung aufzunehmen oder zumindest eine vorausgefüllte Entgeltumwandlungsvereinbarung zur Unterschrift vorlegen. Einer zusätzlichen gesetzlichen Grundlage bedarf es dafür nicht.


5. Digitalisierung der Gesetzlichen Insolvenzsicherung

Zu Gunsten des Pensions-Sicherungs-Vereins aG (PSV) sieht das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz Erleichterungen für die Abwicklung der gesetzlichen Insolvenzsicherung (§§ 7 ff. BetrAVG) vor, die insbesondere die digitale Kommunikation ermöglichen:

  1. Der PSV und Leistungsberechtigte sollen digital kommunizieren dürfen (z.B. per Online-Portal oder App);
  2. Beitragsbescheide sollen digital erlassen werden, wenn kein Entscheidungsspielraum besteht;
  3. der PSV soll Daten bei der Bundesagentur für Arbeit oder den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung anfordern können.

6. BAV-Förderbetrag für Geringverdienende

Seit Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes erhalten Geringverdienende gemäß § 100 EStG eine besondere Förderung ihrer arbeitgeberfinanzierten bAV. Dafür müssen Arbeitnehmer*innen im Lohnabrechnungszeitraum für die Lohnsteuerberechnung weniger als € 2.575 monatlich, € 85,84 täglich, € 600,84 wöchentlich oder € 30.900 jährlich beziehen. Arbeitgeber*innen müssen zusätzlich zum Arbeitslohn Beiträge von mindestens € 240 im Kalenderjahr in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds zahlen. Auf diesen Arbeitgeberbeitrag erhalten Arbeitgeber*innen einen staatlichen Zuschuss in Höhe von 30 %, also mindestens € 72, höchstens aber € 288 (bAV-Förderbetrag). Arbeitgeber*innen erhalten diesen Zuschuss, indem die abzuführende Lohnsteuer entsprechend reduziert wird. Der Arbeitgeberbeitrag ist für Arbeitnehmer*innen bis € 960 steuerfrei.

Der Höchstbetrag des staatlichen Zuschusses soll nun auf € 360 steigen. Das bedeutet, dass Arbeitgeberbeiträge bis zu jährlich € 1.200 gefördert würden. Dementsprechend steigt auch die Steuerfreiheit des Arbeitgeberbeitrags auf € 1.200. Zudem soll die Geringverdienendengrenze dynamisiert werden. Sie wird an die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung gekoppelt. Die Grenze für den monatlichen Lohn läge dann bei 3 % dieser Beitragsbemessungsgrenze. Für 2024 läge die Grenze somit bei € 2.718 statt bei € 2.575. Dadurch wird verhindert, dass Arbeitnehmer*innen durch Entgeltsteigerungen aus der Förderung herausfallen. Arbeitgeber*innen erhalten mehr Planungssicherheit für die Abwicklung der bAV. Die Förderquote von 30 % bleibt hingegen unverändert.


7. Kapitalanlagen durch Pensionskassen

Die aufsichtsrechtlichen Beschränkungen der Kapitalanlage von Pensionskassen sollen durch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz gelockert werden. Es soll gestattet werden, dass bilanzielle Verpflichtungen vorübergehend nicht mit den Anlagen des Sicherungsvermögens bedeckt sind. Pensionskassen soll so ein Spielraum für Kapitalanlagen mit höheren Renditen eingeräumt werden. Die Unterdeckung darf maximal 10 % des Mindestumfangs des Sicherungsvermögens betragen. Nach des Begründung des Referentenentwurfs gilt dies infolge eines (außerplanmäßigen) Rückgangs der Buchwerte der Anlagen. Dem vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut lässt sich diese Konkretisierung allerdings nicht entnehmen.

Erforderlich ist, dass die Satzung eine Bestimmung enthält, die eine Unterdeckung gestattet. Pensionskassen werden daher ihre Satzungsbestimmungen prüfen und ggf. anpassen müssen, wenn sie von dieser Flexibilisierung Gebrauch machen wollen.

Zudem muss die Pensionskasse mit dem oder den Arbeitgeber*innen, welche die bAV über die Pensionskasse durchführen, oder mit Dritten einen Sicherungsvermögensplan vereinbaren. Danach muss spätestens nach zehn Jahren die Bedeckung wieder hergestellt sein. Die beteiligten Arbeitgeber*innen bzw. Dritten müssen sich verpflichten, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die laut Sicherungsvermögensplan erforderlich sind. Die Begründung des Referentenentwurfs sieht mindestens jährliche Zahlungen vor, die nicht steigen dürften, was sich dem vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut jedoch nicht entnehmen lässt.

Der Sicherungsvermögensplan muss von der BaFin genehmigt werden. Wortlaut und Begründung des Referentenentwurfs deuten darauf hin, dass der Sicherungsvermögensplan vor Eintritt der Unterdeckung vereinbart und genehmigt sein muss. Unsicher erscheint jedoch, ob dies in allen Fällen einer außerplanmäßigen Unterdeckung gewährleistet werden kann.

Außerdem wird die Möglichkeit der Kapitalanlage gemäß der Anlageverordnung für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen erweitert:

  1. Künftig sollen auch Anlagen zulässig sein, die die Streuungsgrenzen (§ 4 AnlV) übersteigen, d.h. es wären mehr Anlagen bei einzelnen Schuldnern bzw. einzelnen Investments über die bislang geregelten Grenzen hinaus möglich. Die Risikokapitalanlagenquote wird von 35 % auf 40 % erhöht.
  2. Über eine neue Infrastrukturquote in Höhe von 5 % des Sicherungsvermögens werden Infrastrukturinvestitionen erleichtert.
  3. Die entsprechenden Anlagen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten werden nicht auf die bestehenden Mischungsquoten der Anlageverordnung (§ 3 AnlV) angerechnet und konkurrieren daher nicht mit anderen Anlagen. Sie sind deshalb auch nicht in die Risikokapitalanlagenquote einzubeziehen.

8. Fortführung von Lebensversicherungen

Die Fortführungen von Direktversicherungen zu unveränderten Bedingungen wird auf alle Szenarien erstreckt. Eine Lebensversicherung zur Entgeltumwandlung – gemeint sind Direktversicherungen – soll in Zukunft nicht nur nach einer Elternzeit (wie bisher), sondern in allen Fällen einer entgeltlosen Beschäftigungszeit zu den alten Bedingungen fortgesetzt werden können. Wird eine Lebensversicherung durch den Versicherer gekündigt, wird sie in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt. Wenn diese Kündigung während einer Beschäftigungszeit ohne Entgelt erfolgt, sollen Arbeitnehmer*innen nach Beendigung dieser Zeit ebenfalls die Fortsetzung der Versicherung zu den vor der Umwandlung vereinbarten Bedingungen verlangen können.


9. Inanspruchnahme von Wertguthaben

Für Wertguthaben soll klargestellt werden, dass diese längstens bis zum Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen werden können. Neu ist, dass dies in Zukunft auch dann möglich sein soll, wenn Beschäftigte bereits vor diesem Zeitpunkt eine Rente wegen Alters als Voll- oder Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Über diesen Zeitpunkt hinaus – und insoweit nichts Neues – kann das Wertguthaben dagegen nicht verwendet werden.


10. Ausblick

Der ganz große Wurf wird mit dem Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz in der Fassung des Referentenentwurf wohl nicht gelingen. Zu viele Änderungen dürften in der Praxis zu wenig relevant werden. Eine positive Ausnahme bilden die aufsichtsrechtlichen Änderungen, insbesondere für Pensionskassen. Ob der andere Schwerpunkt der Reformen zum Sozialpartnermodell zu einem Schub führen wird, bleibt abzuwarten. Die klassischen Formen der bAV sind nur von weniger bedeutenden Änderungen betroffen. Gleichwohl sind die Reformen im Grundsatz zu begrüßen und als Stärkung der bAV zu bewerten, könnten aber noch weiter gehen.

Der Referentenentwurf verfolgt nach wie vor das Ziel, durch attraktive Rahmenbedingungen die Verbreitung der bAV zu steigern. Eine obligatorische Betriebsrente oder ein verpflichtendes Opting-Out kommt laut dem Referentenentwurf "noch" nicht in Betracht. Demnach wird diese Möglichkeit aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Verpasst wurde im Referentenentwurf insbesondere eine Klarstellung zu Mindestleistungen und Garantien in beitragsorientierten Leistungszusagen, die zuletzt anlässlich der Niedrigzinsphase diskutiert wurde. Denn Versicherer bieten aktuell Produkte an, bei denen die garantierte Leistung auf einer Basis bestimmt wird, die geringer ist (z.B. 80 %) als die Summe der an den Versicherer eingezahlten Prämien. Ob nicht aber eine beitragsorientierte Leistungszusage Arbeitnehmer*innen eine höhere Mindestleistung gewähren muss, ist ungeklärt. Der Gesetzgeber könnte auch außerhalb des Sozialpartnermodells Mindestleistungen herabsenken und damit eine größere Flexibilität bei der Kapitalanlage und höhere Renditechancen einzuräumen.

Der Referentenentwurf enthält auch keine handels- oder steuerbilanziellen Reformen, die das Institut für Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen hatte, so z.B. einen über einen längeren Zeitraum konstanten Zinssatz für die Bewertung von Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz, um systemfremde Bilanzvolatilitäten zu reduzieren, oder eine Reform der Abzinsungsvorschriften für die Steuerbilanz, in der die Pensionsrückstellungen derzeit mit einem festen Zinssatz von 6 % bewertet werden.

Die aba – Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. teilt auf ihren Internetseiten mit, dass schon im August ein überarbeiteter Entwurfs ins Kabinett eingebracht werden solle. Das könne Anfang kommenden Jahres vom Bundestag verabschiedet werden. Der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen.

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