Stillhaltevereinbarungen bei Immobilien-Spezialfonds

McDermott Will & Emery

Angesichts steigender Zinsen und schwieriger Immobilienmärkte steigt auch die Neigung zu Anteilrückgaben bei Anlegern offener Immobilien-Spezialfonds. Als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den Anlegern kommen sogenannte Stillhaltevereinbarungen in Betracht, mit denen sich Anleger verpflichten, während eines festgelegten Zeitraums keine Anteile zurückzugeben. Die Vereinbarungen können von verschiedenen Beteiligten abgeschlossen und bezüglich Bindungswirkung und Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestaltet werden. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über mögliche Varianten und Aspekte, die bei der Ausgestaltung zu beachten sind.

WEITERE INFORMATIONEN


I. Handlungsbedarf
Der aktuelle Wiederanstieg des Zinsniveaus, gepaart mit Unsicherheitsfaktoren im Immobilien- und Bausektor, können dazu führen, dass Anleger in Immobilien-Spezialfonds ihre Investments überdenken.

Institutionelle Anleger haben ihre Immobilienfondsanlagen in aller Regel langfristig geplant. Die aktuelle Marktsituation kann sie dennoch zu vorzeitigen Desinvestitionen bewegen oder gar zwingen. Treuhänderisch tätige Einrichtungen der Altersvorsorge wie z.B. Versorgungswerke und Pensionskassen müssen für ihre Beitragszahler meist einen bestimmten Zins erwirtschaften. Selbst wenn diese Verpflichtung nicht besteht, ergibt sich aus der treuhänderischen Stellung eine Pflicht zur möglichst renditestarken Anlage unter Abwägung der damit verbundenen Risiken. Eine Umschichtung von Immobilienfondsanlagen kann daher geboten scheinen. Bei Banken und Versicherungen als Anlegern können Anforderungen des eigenen Aufsichtsrechts dazu führen, dass der Anteil vergleichsweise illiquider Fondsanlagen zugunsten fungiblerer Mittel reduziert werden muss.

II. Rückgabeszenarien
Deutsche Immobilien-Spezialfonds in der Funktion des „Pooling-Vehikels“ für eine Mehrzahl von Anlegern und Objekten sind typischerweise als offene Sondervermögen mit festen Anlagebedingungen gemäß § 284 KAGB ausgestaltet. Meist sehen die Anlagebedingungen eine Kündigungsfrist für die Rückgabe von Anteilen vor. Sie beträgt regelmäßig nicht mehr als ein Jahr, ist oft auch kürzer bemessen. Das Vorhalten eines Liquiditätspuffers im Fonds für Rückgabeverlangen wird vermieden, um die mit dem Immobilienportfolio erzielte Rendite nicht zu verwässern.

Auch bei Anlegern in renditestabilen, konservativ ausgerichteten Immobilienfonds verbreitet sich im aktuellen Marktumfeld vermehrt die Befürchtung, dass Mitanleger außerplanmäßig die Rücknahme ihrer Anteile verlangen. Das hat zwar auf die anderen Anleger unmittelbar keine Auswirkung. Je nach Beteiligungshöhe und Gesamtsituation des Fonds kann die Kapitalverwaltungsgesellschaft die Rückgaben aber ggf. nicht oder nicht in der begehrten Höhe bedienen und ist zur Aussetzung der Anteilrücknahme gegenüber allen Anlegern gezwungen. Dieser Schritt führt regelmäßig zu einer Vielzahl zusätzlicher Rückgabewünsche. Die Situation wird auch als „Windhundrennen“ bezeichnet, bei dem alle Anleger hoffen, noch vor den anderen eine Auszahlung zu erhalten. Sie kann in letzter Konsequenz die „unnötige“ Abwicklung auch ansonsten stabiler Fonds unter Zeitdruck und mit Verlusten für die Anleger notwendig machen.

III. Stillhaltevereinbarungen
Als vertrauensbildende Maßnahme kommt der Abschluss zeitlich begrenzter sogenannter Stillhaltevereinbarungen in Betracht. Darin verpflichten sich die Anleger eines Fonds, während eines festgelegten Zeitraums von z.B. zwei bis drei Jahren keine Anteilrücknahmen von der Kapitalverwaltungsgesellschaft zu verlangen. Derartige Vereinbarungen sind im KAGB nicht geregelt, aber grundsätzlich zulässig. Allerdings muss unterschieden werden, je nachdem welche Bindungswirkung die Vereinbarung haben soll.

Wenn die Kapitalverwaltungsgesellschaft aufgrund der Vereinbarung das Recht haben soll, Rückgabeverlangen zur Unzeit abzulehnen, muss sie neben den Anlegern Partei der Vereinbarung werden. Die Stillhaltevereinbarung stellt dann eine Ergänzung bzw. einen Nachtrag zu den Anlagebedingungen und dem sonstigen Fondsvertragswerk dar. Sämtliche Formerfordernisse, die für eine Änderung der Anlagebedingungen und ggf. auch der Anlegervereinbarungen, Zeichnungsscheine o.ä. vorgesehen sind, müssen eingehalten werden. Die in der Fondsdokumentation enthaltenen Rückgaberegeln werden für einen begrenzten Zeitraum rechtlich bindend abgeändert.

Im Unterschied dazu können auch lediglich die Anleger untereinander, ohne Beteiligung der Kapitalverwaltungsgesellschaft, eine vertragliche Verpflichtung zur zeitweisen Nichtrückgabe eingehen. Missachtet allerdings ein Anleger die Absprache und verlangt von der Kapitalverwaltungsgesellschaft dennoch die Auszahlung seiner Anteile, muss diese sich an die Anlagebedingungen halten und die Anteile zurücknehmen. Auf die Vereinbarung der Anleger untereinander kann sie sich nicht berufen. Denkbar wäre, dass die übrigen Anleger von der vertragsbrüchigen Partei Ersatz des Schadens verlangen, der ihnen durch die Anteilrückgabe entsteht. Die Bezifferung des Schadens sowie die Abgrenzung von kausalen, ersatzfähigen und mittelbaren, nicht mehr ersatzfähigen Schadenspositionen dürfte jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Möglich wäre die Vereinbarung einer fest bezifferten oder zumindest berechenbaren Strafzahlung, die eine vertragsbrüchige Partei an die übrigen Anleger – sei es einzeln oder zur gesamten Hand – leisten muss. Auch bei dieser Ausgestaltung bleibt eine Vereinbarung zwischen den Anlegern jedoch bzgl. ihrer rechtlichen Wirkung hinter einer Ergänzung der Anlagebedingungen zurück.

IV. Vor- und Nachteile
Es gibt dennoch gute Gründe, von einer Ergänzung der Fondsdokumentation abzusehen und das Stillhalten nur zwischen den Anlegern zu vereinbaren. Wie erwähnt, müssen bei einer Änderung der Fondsverträge sämtliche hierfür vorgesehenen Form- und Beteiligungsvorgaben eingehalten werden. Insbesondere bedarf eine Änderung der Anlagebedingungen regelmäßig der Zustimmung aller Anleger. Wenn sich z.B. die Großanleger eines Fonds auf das Stillhalten geeinigt haben, kleinere Anleger im Fonds aber nicht einbinden wollen oder können, kann eine Vereinbarung untereinander die einfachere und schnellere Lösung sein.

Zu beachten ist ferner, dass die – wenn auch nur zeitweise – Abänderung der Fondsverträge Auswirkungen auf den aufsichtsrechtlichen und steuerlichen Status des Fonds haben kann. Die KAGB-Definition eines „offenen“ AIF ist sehr weit. Hierfür reicht es bereits aus, wenn Anteile am Fonds irgendwann vor der Liquidationsphase von der Kapitalverwaltungsgesellschaft zurückgekauft oder zurückgenommen werden. Diese Voraussetzung ist auch dann noch erfüllt, wenn z.B. eine zwei- oder dreijährige Phase ohne Rückgabemöglichkeit vorgesehen wird.
Nachteilig kann die Einschränkung der Rückgabemöglichkeit aber für Fonds sein, die investmentsteuerlich als Spezial-Investmentfonds einzuordnen sind. Um investmentsteuerrechtlich den Status eines Spezial-Investmentfonds zu erhalten, müssen die Anlagebedingungen eines Fonds vorsehen, dass die Anleger mindestens einmal im Jahr eine Möglichkeit zur Anteilrückgabe haben. Diese Voraussetzung wäre bei einem mehrjährigen Rückgabeverbot nicht mehr erfüllt, so dass der Fonds steuerlich nur noch als „Investmentfonds“, also vergleichbar einem Publikums-Sondervermögen, behandelt würde. Neben einer Änderung der laufenden Besteuerung hätte der Statusverlust auch eine einmalige Besteuerung der stillen Reserven auf Fondsebene zur Folge, was regelmäßig erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Anleger zur Folge hat.

Die BaFin-Versicherungsaufsicht grenzt offene von geschlossenen Fonds ebenfalls danach ab, ob mindestens einmal jährlich eine Rückgabemöglichkeit für die Anleger besteht. Die entsprechende Verwaltungspraxis ist im sogenannten Kapitalanlagerundschreiben 11/2017 (VA) zur Anlageverordnung bereits seit längerem fixiert. Anleger, die die Verordnung beachten (müssen), wären daher zu einer Umqualifizierung des Fondsinvestments verpflichtet. Zwar sind auch Anteile an geschlossenen Immobilienfonds im Rahmen der Anlageverordnung erwerbbar. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Anteile frei übertragbar sind. Die eingeschränkte Rückgabemöglichkeit soll durch die Möglichkeit zur Veräußerung der Anteile ausgeglichen werden. Unterfallen Anleger des Fonds der Anlageverordnung, sollte daher vor einer Änderung der Rücknahmeregeln geprüft werden, ob und welche Beschränkungen für die Verfügung über Anteile vorgesehen sind.

Schließlich ist zu bedenken, ob und in welchem Umfang Anleger eine Stillhaltevereinbarung gegenüber der der BaFin (im Rahmen von Änderungsanzeigen), der Verwahrstelle oder auch der Kapitalverwaltungsgesellschaft offenlegen möchten.

V. Fazit
Stillhaltevereinbarungen für Immobilien-Spezialfonds sind im aktuellen Marktumfeld – wieder einmal – ein praktisch relevantes Thema. Auch wenn die Vereinbarungen inhaltlich nicht allzu komplex erscheinen, ist je nach Anleger und Ausgestaltung eine sorgfältige rechtliche und steuerliche Prüfung erforderlich. Bei der konkreten Ausgestaltung besteht dann durchaus Spielraum.

Sprechen Sie uns an – wir unterstützen Sie gerne.

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