Update zur Gasbeschaffungsumlage und Ausblick auf die Notfallstufe des Notfallplans Gas

McDermott Will & Emery

Die Höhe der Gasbeschaffungsumlage wurde am 15. August 2022 mit 2,419 Cent pro kWh festgelegt. Drohen Letztverbrauchern neben dem allgemeinen Preisanstieg und diesen Mehrkosten noch weitere Beeinträchtigungen?

WEITERE INFORMATIONEN


1. Status Quo
Die Trading Hub Europe GmbH (THE) hat als zuständiger Marktgebietsverantwortlicher am 15. August 2022 die Höhe der Gasbeschaffungsumlage zu Beginn des Umlagezeitraumes (1. Oktober 2022) mit 2,419 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Rechtsgrundlage dafür ist die am 9. August 2022 in Kraft getretene Gaspreisanpassungsverordnung, mit der die Bundesregierung von ihrer Ermächtigung gemäß § 26 des Energiesicherungsgesetzes Gebrauch gemacht und eine Gasbeschaffungsumlage durch saldierte Preisanpassung verordnet hat.

Mit der bis zum 1. April 2024 befristeten Gasbeschaffungsumlage wird für betroffene Gasimporteure ab dem 1. Oktober 2022 die Möglichkeit geschaffen, für Kosten, die für die Beschaffung von Ersatzgas anfallen, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen einen finanziellen Ausgleich von dem Marktgebietsverantwortlichen (THE) zu erhalten. Die Umlage dieser Kosten erfolgt sodann von dem Marktgebietsverantwortlichen (THE) gegenüber den Bilanzkreisverantwortlichen (in der Regel den Energieversorgern), die die betreffenden Kosten unter Umständen an die Letztverbraucher weitergeben können. Dies kann dazu führen, dass sich die Gaspreise für Letztverbraucher neben den allgemeinen Preissteigerungen ab dem 1. Oktober 2022 noch weiter um die Gasbeschaffungsumlage erhöhen.

2. Ausblick auf die Notfallstufe des Notfallplans Gas
Für den Fall, dass die Maßnahmen der derzeit geltenden Alarmstufe unter dem Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland (Notfallplan Gas) nicht ausreichen sollten oder eine dauerhafte Verschlechterung der Versorgungssituation in der zweiten Jahreshälfte eintreten sollte, kann die Bundesregierung die dritte Stufe des Notfallplans Gas, die sog. Notfallstufe, per Verordnung ausrufen. In diesem Fall übernimmt die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Rolle des sogenannten Bundeslastverteilers und es können hoheitliche Maßnahmen ergriffen werden, um den lebenswichtigen Bedarf an Gas zu sichern und Folgeschäden der Mangelversorgung abzuwenden. Darunter können u.a. (i) die Anordnung der Substitution von Erdgas durch andere Brennstoffe, (ii) die Anordnung der Nutzung von Strom, der nicht mit Gas erzeugt wird, oder auch (iii) die Anordnung der Gasverbrauchsreduktion oder Abschaltung von bestimmten Letztverbrauchern fallen. Mit der Ausrufung der Notfallstufe können für bestimmte Letztverbraucher insofern einschneidende Beeinträchtigungen ihrer betrieblichen Abläufe einhergehen.
Die BNetzA hat für die Notfallstufe Kriterien aufgestellt, die bei Maßnahmen, die zur Verhinderung von Versorgungsengpässen umgesetzt werden sollen, im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Dazu zählen unter anderem (i) die Dringlichkeit der Maßnahme, (ii) die Wirkung einer Gasversorgungsreduktion, (iii) die benötigte Vorlaufzeit zur Anpassung der Produktionsketten an einen verminderten Bezug, (iv) die zu erwartenden (volks-/betriebs-)wirtschaftlichen Schäden, (v) die Kosten und Dauer der Wiederinbetriebnahme nach einer Gasversorgungsreduktion, sowie (vi) die Bedeutung für die Versorgung der Allgemeinheit. Daneben bemüht sich die BNetzA, weitere Kriterien in ihre Abwägungsentscheidung mit einzubeziehen.

Die derzeit wohl noch vorherrschende lückenhafte Datenlage und der weite Ermessensspielraum der BNetzA führen dazu, dass sich ein Unternehmen vor Erlass einer konkreten Maßnahme durch die BNetzA nicht sicher sein kann, wie prioritär seine Versorgungsinteressen, insbesondere im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern, eingestuft werden. Die Versorgungslage kann zudem starken Schwankungen unterliegen, so dass eine feste Abschaltreihenfolge nach Mitteilung der BNetzA nicht festgelegt werden kann. Als nach dem Energiewirtschaftsgesetz „geschützte Kunden“ gelten zudem im Grundsatz nur Haushaltungskunden und grundlegende soziale Dienste .

Die BNetzA führte im Mai 2022 eine Befragung von Letztverbrauchern mit einer technischen Anschlusskapazität von mindestens 10 MWh/h durch, um für den Fall einer Gasmangellage bei der Entscheidung zur Gasverteilung auf eine möglichst breite Datenlage zurückgreifen zu können. Eine vorherige Ankündigung der als Allgemein- oder Einzelverfügungen ergehenden Maßnahmen der BNetzA gegenüber den betroffenen Adressaten muss nicht erfolgen. Letztverbraucher können somit sehr kurzfristig vor dem Problem stehen, dass ihre Gasversorgung erheblich eingeschränkt oder ganz abgeschaltet wird. Die Auswirkungen von angeordneten Gasversorgungsreduktionen oder -unterbrechungen für produzierende Gewerbe liegen auf der Hand. Aber auch bei gewerblichen Vermietern kann eine Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung dazu führen, dass vermieterseitige Pflichten im Zusammenhang mit dem vertraglich geschuldeten Gebrauch der Mietsache, insbesondere soweit die Beheizbarkeit und die generelle Nutzbarkeit der vermieteten Räumlichkeiten betroffen sind, nicht mehr erfüllt werden können. Zu einzelnen mietvertraglichen Fragestellungen im Zusammenhang mit drohenden Engpässen und Ausfällen bei Gaslieferungen, wie Minderungs- und Kündigungsvoraussetzungen, haben wir in unseren ausführlichen FAQs Stellung genommen.

3. Gibt es (vorbeugende) Rechtsschutzmöglichkeiten?
Hat die BNetzA eine Entscheidung darüber getroffen, dass die Gasversorgung eines Letztverbrauchers reduziert oder unterbrochen wird, kann der betroffene Letztverbraucher gerichtlich mit einer Beschwerde vor dem OLG Düsseldorf gegen diese Entscheidung vorgehen. Ein solches gerichtliches Rechtsschutzverfahren kann sich erfahrungsgemäß über einen langen Zeitraum erstrecken und wird im Regelfall nicht dafür sorgen, dass eine temporär angeordnete Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung auf kurze Sicht wieder sicher hergestellt wird.
Will sich ein Letztverbraucher im Vorfeld einer möglichen Anordnung gegen die Gefahr einer Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung wehren, gibt es nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten. Es ist derzeit kein formelles Verfahren vorgesehen, um (gerichtlich) feststellen zu lassen, ob das eigene Unternehmen zur schützenswerten Infrastruktur gehört, für die keine Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung angeordnet werden soll.

Es kann sich aber zur Vermeidung von etwaigen mit einer Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung verbundenen betriebswirtschaftlichen Schäden empfehlen, an die BNetzA im Vorfeld der Notfallstufe heranzutreten und die besondere Schutzwürdigkeit des eigenen Unternehmens hervorzuheben. Ein solcher „Schutzantrag“ ist gesetzlich zwar nicht vorgesehen und stellt keinen formellen Antrag auf Feststellung zur Zugehörigkeit zum Kreis der schützenswerten Infrastruktur dar. Die BNetzA kann allerdings die so vorgebrachten Umstände unter Umständen im Rahmen ihres weiten Ermessensspielraums berücksichtigen, da sie im Grundsatz zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet ist. Der „Schutzantrag“ kann jedoch keine Gewähr dafür bieten, dass das Unternehmen von einer etwaigen Gasversorgungsreduktion oder -unterbrechung geschützt oder nur in geringem Maße betroffen sein wird.

 

(1) Der „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ basiert auf der sog. Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 – sog. SoS-Verordnung.
(2) Der Notfallplan Gas der EU, der basierend auf der Verordnung (EU) 2022/1369 des Rates vom 5. August 2022 über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage am 9. August 2022 in Kraft getreten ist, sieht ähnliche Kriterien für die Priorisierung von Maßnahmen zur Nachfragesenkung, wie die Auswirkung auf systemrelevante Lieferketten, langfristige Schäden an Industrieanlagen und die Möglichkeiten zur Senkung des Verbrauchs und zur Substitution von Produkten in der Union, vor.
(3)Im Einzelnen zu den „geschützten Kunden“ vgl. § 53a Energiewirtschaftsgesetz, der auf der SoS-Verordnung basiert.

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DISCLAIMER: Because of the generality of this update, the information provided herein may not be applicable in all situations and should not be acted upon without specific legal advice based on particular situations.

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